Lauwarme Brioches
Bücher gehören zu meinem Leben, seit ich denken kann. Meine Eltern haben immer sehr viel gelesen und als ich knapp drei Jahre alt war, war mein grösstes Ziel im Leben, lesen zu lernen. Ich kann mich noch sehr gut an diesen Wunsch erinnern – er war übermächtig gross. Nichts wollte ich so sehr, als wie die Grossen in diese Geschichten eintauchen, darin aufgehen. Ich habe es meinen Eltern an verregneten Sonntagen angesehen, wenn sie im Wohnzimmer sassen und gelesen haben: sie waren wie entrückt, waren nicht mehr hier, nicht ansprechbar. Und wenn ich dann fragte: «Erzähl, was steht in Deinem Buch – lies mir vor!», bekam ich zu hören: «Du, nicht jetzt gerade, weisst Du, es ist grad sehr spannend. Das ist sowieso nichts für Kinder – geh spielen!» Spielen, spielen, spielen. Ich wollte nicht spielen. Ich wollte lesen!
Ich war ein sehr hartnäckiges Kind und habe meine Mutter tage-, wochenlang bearbeitet, sie soll mir doch bitte das Lesen beibringen. Leider konnte ich den Buchstaben R nicht aussprechen und meine Mutter versprach: «Kind, wenn Du das R kannst, dann zeige ich Dir, wie man liest.» Na dann… habe ich also das R geübt. Tagelang für mich alleine – bis ich es endlich konnte. Eben, ich war wahnsinnig hartnäckig. So, und jetzt – endlich lesen lernen!
Meine Mutter kaufte mir ein Buch: Mein buntes Bilder-Wörterbuch von Horst Lemke. Damit lernte ich lesen – und mit knapp dreieinhalb Jahren hatte ich das drauf. Ab da war der grösste Stress meiner Eltern, mir genug Lesestoff zu beschaffen. Und von da weg war mir nie wieder in meinem ganzen Leben langweilig! Ich habe hunderte/tausende von Büchern gelesen: viele, viele Kinder- und Jugendbücher, später Romane, Krimis, Reiseführer, Kochbücher, Biografien, Gedichtbände, Fachbücher… Ich habe Bücher nicht nur mit den Augen gelesen, sondern auch mit den Händen, mit der Nase, habe sie gefühlt und gerochen – habe sie erlebt.
Als Kind hatte ich zwei Bücher ganz besonders geliebt: Eines war das «Doktorbuch» – so nannten wir das, den Titel weiss ich nicht mehr – ein medizinischer Ratgeber mit rund 1000 Seiten, der im Regal meiner Eltern stand. Da waren furchtbare Fotos von grauenhaften Verletzungen drin, Kranheiten, Missbildungen, Parasiten usw. Schauderhaft! Das Buch habe ich oft abends im Bett gelesen – ich fand das wahnsinnig spannend! Noch heute kann ich alle Symptome von sämtlichen Kinderkrankheiten auswendig runterbeten.
Das zweite Buch, das mich durch meine Kindheit begleitet hatte, war das «Schwarze Buch». Wenn mein Vater sagte: «Hol bitte mein schwarzes Buch», dann jubelte ich! Denn das schwarze Buch war das handgeschriebene Rezeptbuch meines Vaters. Und wenn ich dieses Buch holen sollte, dann wurde es in der Küche wahnsinnig spannend. Denn da standen Rezepte aus aller Welt drin.
Das heutige Rezept stammt ursprünglich aus dem schwarzen Buch meines Vaters, steht heute aber mittlerweilen auch in meinem «Braunen Buch», von dem das Küken mal mit vier oder fünf Jahren gesagt hat: «Gell Mam, wenn Du dann mal gestorben bist, dann bekomme ich das braune Buch!»
Und weil mein Vater Chef de Pâtisserie in grossen Hotels dieser Welt war, sind seine Rezepte nicht wirklich für Kleinhaushalte – also Menge entweder halbieren oder Besuch einladen.
Rezept für ca. 30 Brioches
42 g Hefe (aufgelöst in wenig warmem Wasser oder warmer Milch)
100 g Zucker
10 g Salz
700 g Mehl
350 g weiche Butter
7 Eier
Mehl, Zucker, Salz, Hefe und Eier gut vermischen und verkneten. Dann die weiche Butter stückchenweise dazu und weiterkneten wie wild – mindestens 15 Minuten lang. Der Teig wird sich nicht von den Fingern lösen, das Ganze gibt auf dem Tisch ein wahnsinniges Geschmiere. Macht nichts. Weiterkneten. Dann den Teig in eine Schüssel befördern und zugedeckt über Nacht an einem kühlen Ort stehen lassen. Am andern Morgen Brioches formen (siehe nachfolgendes Bild). Brioches in ausgebutterte Briocheförmchen setzen und nochmals ca. ½ Stunde gehen lassen. Dann mit Eigelb bestreichen und bei 220 Grad auf der zweituntersten Schiebeleiste ca. 10 bis 15 Minuten backen.
Brioches sollten unbedingt warm gegessen werden (gell, Küchenschabe!), dazu den Knubbel wegmachen, in die Vertiefung sofort Butter schmieren und viel Marmelade dazu.
Mel von Pimpmella hatte an Ostern übrigens auch Brioches – guckt hier – sie braucht dazu Aprikosenmarmelade. Bei mir muss es Himbeer- oder Hagebuttenmarmelade sein.
Samtig-zarte Brioches für das Sonntagsfrühstück - ergibt ca. 30 Stück. Mehl, Zucker, Salz, Hefe und Eier gut vermischen und verkneten. Dann die weiche Butter stückchenweise dazu und wie wild weiterkneten - mindestens 15 Minuten lang. Der Teig wird sich nicht von den Fingern lösen, das Ganze gibt auf dem Tisch ein wahnsinniges Geschmiere. Macht nichts. Weiterkneten. Dann den Teig in eine Schüssel befördern und zugedeckt über Nacht an einem kühlen Ort stehen lassen. Am andern Morgen Brioches formen (siehe Bild im Text). Brioches in ausgebutterte Briocheförmchen setzen und nochmals ca. ½ Stunde gehen lassen. Dann mit Eigelb bestreichen und bei 220 Grad auf der zweituntersten Schiebeleiste ca. 10 bis 15 Minuten backen.Brioches aus dem «Schwarzen Buch»
Zutaten
So wird's gemacht
Anna Purna
2. April 2013 at 06:05Und schon wieder köstliche Brioches ans Bett. Du bist aber sehr fürsorglich zu uns. Da macht das Aufstehen ja gleich viel mehr Spass. Bei mir sollte es am besten Orangenmarmelade sein. Aber Himbeere ist auch nicht schlecht.
Liebe Grüße
Anna
grain de sel
2. April 2013 at 06:48…oder getunkt in eine bol – Brioche sind was Feines!
viele liebe Grüße
pimpimella
2. April 2013 at 06:51Ich könnt schön wieder….und ich nehm auch Himbeermarmelade, zur Not 😉
Unknown
2. April 2013 at 06:51Ja gerne! Noch warm und die sehen toll aus. So ein schwarzes Buch ist magisch. Bei uns in der Familie gibt es auch eines, mittlerweilen ohne Deckel und mit einem Gummiband zusammengehalten…. Mit deinem Papi könnte ich stundenlang plaudern…. Öhhhm ihn löchern.
Liebs grüessli
Irene
duni
2. April 2013 at 07:36Brioche gibts bei uns selten; wenn, dann im Dallmayr gekauft.V mag sie in Scheiben geschnitten und in Eiermilch rausgebraten als French Toast, so als üppiges warmes Alle-Heiligen-Zeiten-mal-Frühstück; ich schauderts vor soviel Süss zu Unzeiten und ich bleibe beim Tee. Ach ja, und vor Jahren hab ich mal mit meiner Schwester eins gebacken, nach einem Bocuserezept, mit gleich viel Butter wie Mehl, war einfach nur fettig und schwer.
Sybille
2. April 2013 at 08:05Ich habe auch so ein Buch und mein Sohn will es haben wenn ich mal tot bin.
Irgenwie vererbe ich das lieber als den Blog.
Brioche sind da auch drin!
Aus meinem Kochtopf
2. April 2013 at 08:30Wir haben als Rezeptsammlung nur eine Loseblattsammlung, die in verschiedenen Ordnern aufbewahrt wird.
Deshalb ist mein Ziel, meinen Blog zu vererben. Auch wenn das irgendwie weniger romantisch klingt und sich anfühlt.
Zu Brioche gibt es für mich definitiv nichts besseres als Nutella 😉
Mit leckerem Gruß, Peter
Die Küchenschabe
2. April 2013 at 09:05Schöön, du bist auch so ein Bücherfan. Ich bin ganz versessen nach Büchern. Nicht nur Kochbücher und Romane, auch schön gestaltete Bücher, mit interessanten Umschlägen oder Illustrationen haben es mir angetan. Was zur Folge hat, dass ich schon gar nicht mehr weiß, wohin mit all den Büchern. Ich kann mich nicht von ihnen trennen. Im Schlafzimmer liegen wir quasi in einer Bibliothek, was ich richtig toll finde!
auchwas
2. April 2013 at 09:23Mmmh, lecker ich reihe mich ein in den Fan-Club Brioche zum Frühstück und dazu Himbeer-Marmelade, einfach zu köstlich.
Wunderbar diese Familienrezepte!
Liebe Grüße
Ingrid
Anonym
2. April 2013 at 09:41Brioche selbstgemacht! ein Traum – hohe Schule, finde ich! Die beste Ehefrau von allen kann übrigens ohne einen Büchervorrat von mindestens 50 Exemplaren anscheinend auch nicht leben 😉
Liebe Grüsse aus Zürich,
Andy
PS. Schön, Dein neuer Header!
Barbara
2. April 2013 at 10:08Mit dem Lesen geht's mir ählich! Schön geschildert.
Solche Bücher sind ein Schatz! Und Dein Küken hat ja jetzt das Blog, da braucht sie das braune Buch nicht so schnell. 😉
Ich mag ja solche Familienrezeptbücher. Eins von meiner Mutter habe ich hier mal abgebildet. Sie hat aber nur zuhause gebacken, also ein anderes Niveau als Dein Papa Chef de Pâtisserie. Da gab's sicher schöne Leckereien (träum…)
Anonym
2. April 2013 at 10:17Ups, ich hatte doch heute Morgen schon einen Kommentar geschrieben… mir ging und geht's mit dem lesen wie dir 🙂 Nur mag ich nicht zwischen 1000 Büchern leben und leihe sie deshalb aus. Und Brioche, herrlich! Am liebsten mit Erdbeerkonfitüre! Und ja, schöner neuer Header.
SUGARPRINCESS
2. April 2013 at 11:34Was für eine wunderbare Geschichte! Ich kann mir genau vorstellen, wie Du da vor Deinen Eltern gestanden bist… Bei mir war das genauso und ich hab mir das Lesen mit fünf Jahren selber beigebracht. Von da an fand man mich unterm Tisch lesend vor… Aber unter dem Regal am Tisch standen nicht etwa Kinderbücher, sondern Kafkas Romane… Und so war eins der ersten Bücher, das ich verschlungen habe… Kafkas Schloß. Leider gibt es bei uns keine so wunderbare Rezeptesammlung, weil meine Mutter kaum gekocht hat. Alles, was ich kann, habe ich mir bei meiner Oma Annemarie abgeschaut…
magentratzerl
2. April 2013 at 13:10Hoch, die würde ich auch verfrühstücken.
Meine Mutter hat mehrere von diesen Rezeptbüchern…..eine Mischung aus Handschrift und eingeklebten Rezepten. Ich habe eine Datenbank und zuviele Kochbücher….und auch sonst viele, viele Bücher im Regal. Ich finde das herrlich. Nur das Umziehen ist blöd…..
kegala
2. April 2013 at 17:19das ist ja toll, dass Du aus dem schwarzen Buch Rezepte für uns aufschreibst ♥ Deine Brioches sehen grandios aus.
Als meine Jüngste ausgezogen ist, hat sie sich selbst ein Büchle, mit meinen/ihren liebsten Rezepten angelegt.
liebe Grüße
Wilde Henne
2. April 2013 at 17:58@Anna Purna
Orangenmarmelade kann ich leider nicht anbieten. Aber Nektarine mit Rosenblüten hätte ich noch – die sieht wunderschön aus.
@Salzkorn
Wie auch immer – einfach warm müssen sie sein, so warm, dass die Butter schmilzt darauf.
@Mel
Ich könnte auch schon wieder – leider sind bereits alle weggefuttert.
@Irene
So zerfleddert müssen solche Bücher aussehen. Dann weiss man, dass aus ihnen wirklich gekocht wurde.
@Duni
Um Himmelswillen, iss bloss keine Brioches, wenn Du normalerweise nur Tee «frühstückst», das verträgt die Leber nicht 😉 Eine Brioche mit wenig Butter ist keine Brioche sondern ein trockenes, leicht süsses Brötchen. Nene, da gehört gehörig Butter rein und Butter oben drauf.
@Sybille
Der Blog ist schön, aber in so einem selbstgeschriebenen Kochbuch steckt ein ganzes Leben drin, das von meinem Vater, aber auch meine gesamte Kindheit. Ey, Essen ist Leben!
@Aus meinem Kochtopf
Lose Blätter habe ich auch noch, die stecken im Kochbuch mit drin und warten darauf, dass ich sie mal einschreibe. An laaaangen, kalten Winterabenden erledige ich dann manchmal sowas.
Nutella auf die Brioche – das ist aber definitiv zu etwas für Hartgesottene. Meine Leber… 😉
@Auchwas
Warme Brioches zum Frühstück haben genau einen einzigen Nachteil. Man muss früher aufstehen, als die Restsippe 😉
@Lieberlecker
Ich werde nervös, wenn die Bücherstapel neben meinem Bett nur noch drei Bücher hoch sind (mind. 5 Stapel sind da immer). Ich kann also die Beste von allen sehr gut verstehen.
Merci für das Header-Kompliment 🙂
@Barbara
Das Küken will das Buch – denn da drin steht drum auch ein Rezept, für das ich mich mal verbürgt habe, dies nie öffentlich zu machen.
@Kochpoetin
Ich fände unser Haus absolut trostlos ohne Bücher. Und ehrlich gesagt, ich leihe Bücher auch nicht gerne aus. Denn meist, wenn ich jemandem ein Buch ausgeliehen habe, kam es entweder zerknittert oder gar nicht mehr zurück. Ich habe genau zwei Freunde, denen ich noch Bücher ausleihe. Ich kaufe mir meist auch die gebundene und nicht die Taschenbuchausgabe. Von daher liegt mir eben schon viel an meinen Büchern.
@Yushka Brand
Du warst aber sehr frühreif, wenn Du mit 5 Jahren Kafka gelesen hast. An den habe ich mich mit 14 gewagt. Und ob ich ihn damals wirklich verstanden habe, sei dahingestellt. Naja, ob man Kafka überhaupt wirklich verstehen kann, ist sowieso ein anderes Thema 😉
@Magentratzerl
Umziehen mit all den Büchern ist der Horror. Als wir vor drei Jahren in dieses Haus gezogen sind, haben wir ein Umzugsunternehmen beauftragt… wir hatten insgesamt 168 Umzugskartons (vierköpfige Familie). 62 davon waren nur Bücher.
@Kegala
Ich habe noch einige Rezepte in der Pipeline aus diesem Buch. Da wird demnächst wieder was kommen.
SUGARPRINCESS
2. April 2013 at 22:15DU warst frühreif, da Du mit drei lesen gelernt hast… 😉 Verschlingen kann man Bücher ja erst, wenn man so richtig lange Texte lesen kann… Also hab ich den ollen K auch nicht direkt gelesen, aber doch recht bald. Und verstehen … Naja. Aber er hat mich nachhaltig beeindruckt.
Quersatz
2. April 2013 at 18:16ah, brioches … ich werde besuch einladen 🙂
Quersatz
2. April 2013 at 18:34ah, ja, deine frage ans salzkorn: auch in meinem garten kommt der junge mangold. an den strünken vom letzten jahr. inkl. marienkäfer, die in den alten fenchelstangen und/oder in den chrutstiele überwintert haben. man weiss das nicht so genau 🙂
Dirk Staudenmaier
2. April 2013 at 18:44Ich auch Brioches haben/essen will…. 🙁 Boah, ist das (Abnehmen) hart!
Übrigens, liebes Poulet, schau doch mal bitte morgen früh im Bett, ob es nun mehr Vergnügen bereitet, meinen Blog am Handy zu lesen. Du verstehst, wie ich das meine 😉
Lieben Gruß, Dirk
Wilde Henne
2. April 2013 at 18:53@Quersatz
Willkommen im Hühnerstall 🙂
Also bei 30 Brioches musst Du unbedingt Besuch einladen – das wären ja sonst 350 g Butter alleine für Dich 😉
@Dirk
Tja, mein Lieber – leider nix mit Brioches für Dich. Sorry – willst Du ne Möhre? 😉
Zu Deinem neuen Design werde ich Dir noch eine Mail schreiben – angefangen habe ich sie schon. Gib mir noch einen Moment Zeit dafür.
Dirk Staudenmaier
4. April 2013 at 14:43Ui, ne Mail? Ich bin gespannt! Hast du schon geschickt?? 🙂 (Und danke für die Möhre!)
Bonjour Alsace
2. April 2013 at 21:06Jetzt weiss ich endlich, warum die Brioches so einen runden Knubbel haben 😉
duni
3. April 2013 at 08:25Nee, Frühstück ist gar nicht meins; und dann noch schweres Hefegebäck, das bekäm ich nicht runter.
Wilde Henne
3. April 2013 at 17:33@Elsässerli
Genau, damit man den entfernen und in das Loch Butter und Marmelade schmieren kann 😉
@Duni
Selbstgemachte Brioches sind nicht schwer, sondern fluffig 😉