Was in der Schweiz «Fleischvögel» und in Deutschland «Rouladen» genannt wird, lässt mich schon beim blossen Gedanken daran erschaudern. Diese unsägliche Gewürzgurke in der Mitte eines aufgewickelten Stücks Rindfleisch, um irgendwas ist auch noch eine Scheibe Speck gewickelt…
Wenn ich als Kind von der Schule nach Hause kam und auf meine Frage, was es zum Mittagessen gibt, die Antwort «Fleischvögel» folgte, hätte ich heulen können. Ich mochte Fleischvögel nie, schon der Begriff Fleischvogel hat mich geschüttelt – tut es heute noch.
Offenbar gibt es auch andere Menschen, die eine Abneigung gegen diese Vögel haben hatten – Nata von pastasciutta war auch von frühster Kindheit weg traumatisiert. Ihre und meine Lösung des Problems ist ähnlich. Man muss nur die Füllung ändern, dann kommt es gut. Ich persönlich ändere auch noch die Grösse und den Namen, dann stimmt es für mich noch mehr.
So, und hier das Rezept für Involtini mit einer Kalbsbrät-Pilz-Füllung:
Rezept für 20 hübsche Röllchen
20 Scheiben ganz dünn geschnittenes Rindfleisch (hat mein Metzger von Hand gemacht)
500 g Kalbsbrät
1 Handvoll getrocknete Pilze, eingeweicht in Wasser
(ich hatte Steinpilze und Maronenröhrlinge – selbstgesammelt und getrocknet)
4 bis 5 frische, braune Champignons, halbiert und quer in Scheiben geschnitten
2 Kaffeelöffel Pilzpulver (auch selbstgemacht)
1/2 Zwiebel, feinst gehackt
glattblättrige Petersilie
Salz, schwarzer Pfeffer aus der Mühle
1 guter Schluck Weisswein
ein Schluck Rinderbrühe (hatte ich grad frisch gekocht)
Bratbutter
für die Sauce
3 Schalotten
6 bis 8 frische, braune Champignons
Rotwein und Rinderbrühe
Salz, Pfeffer
1 Lorbeerblatt
3 Nelken
je 1 Zweig Rosmarin und Thymian
Eingeweichte Pilze gut ausdrücken, und fein hacken. In einer Bratpfanne die Pilze inkl. Champignonsscheibchen in Bratbutter anbraten, feine Zwiebelwürfelchen und Pilzpulver dazu, mitdünsten. Salzen, pfeffern und mit einem Schluck Weisswein ablöschen, Brühe dazugeben und kurz köcheln lassen. Pfanne vom Herd nehmen und die Pilzgeschichte ein bisschen auskühlen lassen. Dann in einer Schüssel mit dem Kalbsbrät gut mischen und gehackte Petersilie dazu. Dann die Füllung auf die Fleisscheiben geben, ein schönes Päckchen daraus rollen und mit einem Zahnstocker verschliessen.
In einer Bratpfanne Bratbutter erhitzen, Involtini portionenwesie rundum anbraten. Die gebratenen Involtini in einen Bräter setzen, salzen und pfeffern. In der gleichen Bratpfanne die längs halbierten Schalotten und die in Scheiben geschnitteen Champignons anbraten, salzen und pfeffern, dann mit dem Rotwein ablöschen und den Bratenfond auflösen. Lorbeer und Nelken dazu und einmal aufkochen lassen. Dann alles über die Rouladen im Bräter giessen. Rosmarin und Thymian dazu, Deckel drauf und im vorgeheizten Backofen bei 160 Grad zwei Stunden schmoren lassen.
Zu den Involtini assen wir Polenta, und zwar rosafarbene Polenta. Das heisst, wenn man sie kocht, wird sie rosa. Im Urzustand sah sie aus wie Vogelsand, das ganze Maiskorn ist aber offenbar blauschwarz. Ist eine Spezialität aus dem Tessin und heisst «Polenta corvina». Mein Müller verkauft diese Polenta in seinem Laden. Geschmacklich fand ich sie sehr, sehr gut, von der Konsistenz her war sie mir aber grad ein Tick zu fein gemahlen (macht nicht mein Müller sondern der im Tessin).
sybille
5. März 2012 at 08:20Och, was würde ich geben für schwarze oder rote Polenta. Ich krieg sie nicht her oder nur mit Horrorversandgebühren und deine Vogerl nehm ich auch noch gleich mit.Direkt nach dem Fasten gleich so was. Wunderbar.
Aus meinem Kochtopf
5. März 2012 at 08:48Ach Wilde Henne,
arbeiten wir in unseren Blogs unsere Kindheitstraumata auf?
Mir geht es mit Rindsrouladen ebenso wie Dir. Alleine diese grauenvolle Gewürzgurke….
Bei uns gab es allerdings später noch eine Alternative dazu, nämlich Kalbsvögerl. Also ein dünnes Kalbsschnitzel, darin steckte als Füllung ein ganzes hart gekochtes Ei! Das mochte ich auf jeden Fall lieber als die Gurke 😉
Deine Involtinis klingen sehr lecker.
Allerdings verdreht die beste Ehefrau von allen die Äuglein, wenn ich beginne Pilze (egal welcher Art) in ihr Essen einzuplanen.
Ich kann Dir zum Thema Rindsroulade noch diese hier anbieten. Die finde sind echt sehr gut:
blog.nordbayern.de/netz/2011/rinderrouladen-an-aprikosensauce/
Leckere Grüße,
Peter
Heike
5. März 2012 at 09:27Nachdem ich jetzt zum 2.mal von diesem Trauma les, kam mir die Erinnerung:
Stimmt ja! Manche machen die Gurken am Stück rein, und das mochte ich auch nie. Bei uns gab's die Gurken jedoch kleingeschnitten und so mach ich es bis heute. Komische Sache.
Wilde Henne
5. März 2012 at 17:36@Sybille
Fasten hin oder her – es musste was Geschmortes auf den Tisch. Unbedingt.
@Peter
Vielleicht sollten wir eine Selbsthilfegruppe gründen ;-))))
Ich bin mir sicher, wir finden noch viele gemeinsame, schreckliche kulinarische Kindheitserinnerungen. Vor 40 Jahren kamen Dinge auf den Tisch, über die man heute einfach nur noch den Kopf schüttelt. Manche sind Kult geworden, andere sind einfach zu schrecklich 😉
@Heike
Ich bin sicher, wenn wir eine Umfrage wegen der ganzen Gurke in den Rouladen machen würden, ginge ein Aufschrei durch die Bloggerwelt.
Kleingeschnitten… naja – das könnte ja noch grad so gehen.
biggi.deluxe
8. März 2012 at 14:24… hier musste ich schmunzeln …
liebe grüße, biggi ♥
Anonym
5. März 2012 at 18:01Selbsthilfe braucht's nicht. Ich kenn' die deutschen Rouladen meiner Mutter ganz ohne (!) Gurke, dafür wurden die Fleischscheiben mit Senf bestrichen, mit dünnen Speckscheiben und mit ganz fein geschnittenen Zwiebeln belegt. Die Senfschärfe mascht das Fleisch mürbe und der Speck gibt ein feines Räucheraroma ab.
Und ich wickle inzwischen alles ins Fleisch, was mir interessant genug erscheint.
Twocents
Wilde Henne
5. März 2012 at 18:05@Twocents
Kluge Mutter – die hat gewusst, wie sie ihre Kinder bei Stange resp. Tisch hält 😉
nata
5. März 2012 at 19:52Das ist ja ein Ding! Die Geschichte klingt wirklich wie bei mir. Und offenbar geht es auch anderen Leuten so. – Nein, ob die Gurken am Stück waren, weiß ich nicht mehr. Ich mag sie auch kleingeschnitten nicht in der Roulade. Beim Speck dreht es sich dann schon eher darum, dass er nicht als ganze Scheibe eingewickelt werden sollte. man hat sonst beim Anschneiden so lange Fasern… Nee, ich finde das absolut guselig!
Die hübschen Involtini sind allerdings auch nicht wirklich eine Alternative, weil ich Pilze zwar lecker finde, aber leider nicht vertrage.
FANcywoRk M.
7. März 2012 at 12:09Unglaublich, auch bei uns zu Hause heißen diese schrecklichen Dinger Fleischvögel, und auf schwäbsich: Floischveegala. Ich hasse sie schon seit Kindertagen und bin auch heute noch kein Freund davon. Und nicht nur wegen des Namens, geschmortes Rindfleisch ist nichts für mich.
Dein Rezept hört sich aber gut an, wenn ich mal in die Verlegenheit kommen sollte, werde ich mich dran erinnern.
Und: dein Blog ist total schön, ich werde zukünftig regelmäßig lesen.
Lieben Gruß
Maggie
Petra aka Cascabel
7. März 2012 at 13:45Rouladen mochte ich auch nicht. Ich habe meiner Mutter dann gesagt, sie solle sie bitte für mich als Steak braten – was sie zwar nach viel Betteln gemacht hat, aber natürlich als Desaster endete: eine Schuhsohle wäre nicht schlechter gewesen 😉
Die rosa Polenta ist mir noch nie aufgefallen, die geh ich beim nächsten Mal bei Terreni alla Maggia kaufen, zum Laden brauch ich zu Fuß keine 5 Minuten 🙂 Ich mag die rote gerne (auch im Brot!), die ist etwas grober.
Wilde Henne
7. März 2012 at 20:03@Nata
Statt Pilze kann ich mir auch kleine Speckwürfel in der Füllung vorstellen.
@Maggie
Willkommen auf meinem Blog und in der Fleischvogel-Trauma-Selbsthilfegruppe 😉 Schön, dass es Dir hier gefällt.
@Petra
Jessäs, das Rindfleisch als Steak? Da hast Du aber ganz schön was zu kauen gehabt 😉
Unknown
20. August 2015 at 20:16In Schweizer Fleischvögeln hat es keine Gewürzgurke, nur in deutschen Roulladen !