Französisch/ Gemüse/ Hülsenfrüchte/ Salat/ Vorspeisen

Humphrey Bogart, Scheissgöppel und lauwarmer Bohnensalat

Lauwarmer Bohnensalat

«Ich sterbe!» – «Reiss Dich am Riemen, so schnell stirbt man nicht!» – «Ich schon – ich kann nicht mehr!» – «Guck, nur noch diesen kleinen Hügel, und dann geht es bloss noch bergab! Ich versprech es Dir!» – «Wie kannst Du sowas versprechen? Du weisst doch gar nicht, was hinter diesem Hügel kommt!» – «Doch, das weiss ich!» – «Wie denn, Du warst doch noch nie hier!» – «Ich weiss es halt einfach. Lamentier hier nicht rum, steig auf Deinen Hampfri und fahr weiter…!»

Sommer 1988. Heiss, brütend heiss. Meine drei Jahre jüngere Schwester und ich machten drei Wochen Frankreich-Urlaub mit dem Velo. Ich verweise nochmals auf das Jahr. Wir schrieben 1988. Nix Carbon-Fahrräder und 24 Gänge – unsere Velos verfügten über einen Rahmen aus Stahlrohr und wogen mindestens 40 Kilo oder so. Und unsere Velos hatten Namen. Meins hiess «Scheissgöppel», weil ständig die Kette rausflog. Das Velo meiner Schwester hiess «Hampfri», benannt nach Humphrey Bogart, bzw. seinem Velo. Scheissgöppel hatte drei Gänge, Hampfri immerhin deren sieben.

Hampfri und Scheissgöppel hatten wir mit dem Zug von der Schweiz nach La Rochelle geschickt, zwei Wochen, bevor wir dann ebenfalls mit dem Zug hinterher fuhren. Unsere Reise sollte uns von La Rochelle in die Bretagne führen. Am Tag 3 oder 4 unserer Velotour wollten wir Les Sables-d’Olonne grossräumig umfahren, da wir keinen Bock auf Stadt hatten. Normalerweise sind wir pro Tag so 60 bis 70 km gefahren und haben uns dann ein kleines Hotel gesucht. An diesem Tag waren wir bereits seit Stunden unterwegs und hatten schon rund 100 km hinter uns. Wir steuerten auf ein kleines Kaff zu. Auf meiner Karte war in Grosbreuil eine Kirche eingezeichnet. Kirche = Laden = Restaurant = Übernachtungsmöglichkeit. So war das immer in Frankreich. Ausser dieses eine Mal. Im Laden erklärte uns eine freundliche Madame, dass die Kneipe mit den dazugehörigen Fremdenzimmern vor 1,5 Jahren dicht gemacht hatte. Nachwuchsprobleme. Meiner Schwester stand das Entsetzen ins Gesicht geschrieben. Aber Madame hatte sofort eine Lösung parat. 12 km nördlich vom Grosbreuil liege La Mothe-Achard, und da habe ihre Schwester eine kleine Bar und die vermiete auch Zimmer an Touristen und sie würde da sonst anrufen und überhaupt sie helfe gerne… Zehn Minuten später sass meine Schwester auf Hampfri und ich auf Scheissgöppel und wir pedalten gen Norden. Madame hatte uns noch gefragt, wie lange wir für die 12 km ungefähr brauchen und hat ihrer Schwester telefonisch durchgegeben, dass wir in einer knappen halben Stunde in La Mothe-Achard einfahren werden und einen tierischen Hunger hätten.

Knapp nach dem Ende von Grosbreuil dann der Horror: Strasse gesperrt – Umleitung wegen Erdrutsch (am Tag davor war ein heftiges Gewitter). Die Strasse führt uns erst nach Südwesten, dann wieder nach Norden, dann wieder nach Westen, dann Richtung Nordosten. Aus den ursprünglich 12 Kilometern wurden sage und schreibe fast 35 Kilometer. Bei km 27 ungefähr schmiss meine Schwester den vollgepackten Hampfri und sich selber heulend ans Strassenbord: «Ich sterbe!…»

Wir kamen mit gut 1,5 Std. Verspätung so gegen 17.30 Uhr in La Mothe-Achard beim Café des Halles an. Dreckig, verschwitzt, stinkend wie die Iltisse… Madame stand mit dem Empfangskomitee (Gatte und zwei knapp erwachsene Söhnen) vor der Bar. Der jüngere der beiden Söhne, ich glaube, er hiess Alain, stellte unsere Fahrräder in den Schuppen im Hof, während der ältere (seinen Namen weiss ich nicht mehr) unsere Fahrradtaschen aufs Zimmer trug…

Nach einer gründlichen Säuberung unsererseits und einem Glas Champagner (Madame liess uns dies von einem der Söhne aufs Zimmer bringen) sassen wir endlich bei Tisch. Speisekarte gab es keine. Madame hatte uns vorher gefragt, ob wir auch das essen würden, was sie für ihre Familie kochen würde. Aber sicher, noch so gerne. Und so wurde uns als erstes ein Bohnensalat aufgetischt – das allerbeste, was ich jemals in meinem Leben auf dem Teller hatte…

Rezept (für 4 Personen als Vorspeise)

200 g getrocknete grosse weisse Bohnen (über Nacht eingeweicht oder halt aus der Dose, sofern es wirklich nicht anders geht)
2 Schalotten, in feine Ringe geschnitten
je ein Büschel Bohnenkraut und glattblättrige Petersilie, abgezupft und Blättchen fein geschnitten
1 Scheibe gekochten Schinken (gut 7 mm dick), in kleine Würfelchen geschnitten
2 bis 3 Stangen Staudensellerie, in 7-mm-Stückchen geschnitten
1 Dessertlöffel Dijon-Senf
1,5 Löffel Weisswein-Essig
4 Löffel Raps- oder Sonnenblumenöl
Salz, schwarzer Pfeffer aus der Mühle

Die Bohnen gute zwei Stunden in ungesalzenem Wasser weichkochen (oder halt eine Dose öffnen, Bohnen abgiessen und kalt abspülen), abgiessen und ganz kurz kalt abspülen. In einer Schüssel den Senf mit Salz, Pfeffer, Essig und Öl verrühren. Den gewürfelten Schinken in einer beschichteten Bratpfanne kurz anbraten, dann den Stangensellerie und die Schalotten zugeben und kurz sautieren, salzen und pfeffern. Schinken-Zwiebel-Sellerie-Gemisch zusammen mit den noch lauwarmen Bohnen in die Salatsauce geben. Petersilie und Bohnenkraut dazu geben und alles gut durchmischen. Ca. eine Viertelstunde ziehen lassen und vorzugsweise nach einer anstrengenden Fahrradtour geniessen.

Achja, und weil wir bei Madame so lecker gegessen haben, sind wir gleich noch zwei Tage geblieben. Denn um nichts auf der Welt hätte ich meine Schwester am andern Tag aufs Velo gebracht.

Nachtrag

Soeben erhielt ich von meiner Schwester noch zwei Fotos (miese Qualität) aus diesem Urlaub, die ich euch nicht vorenthalten möchte. Und den Hinweis, das Hampfri nicht bloss sieben sondern ZWÖLF Gänge hatte.

Leider sind Hampfri und Scheissgöppel nicht auf den Bildern – aber unsere Fahrradtaschen (wir sitzen drauf).

Ein paar Tage vorher wollte sie sterben…

Lauwarmer Bohnensalat mit Schinken

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Gemüse, Hülsenfrüchte, Salat, Vorspeisen Frankreich
Von HuhnGundula Portionen (ungefähr): 4

Der weltbeste Bohnensalat aus cremigen Soisson-Bohnen.

Zutaten

  • 200 g getrocknete grosse weisse Bohnen (über Nacht eingeweicht oder halt aus der Dose, sofern es wirklich nicht anders geht).
  • 2 Schalotten, in feine Ringe geschnitten
  • je ein Büschel Bohnenkraut und glattblättrige Petersilie, abgezupft und Blättchen fein geschnitten
  • 1 Scheibe gekochten Schinken (gut 7 mm dick), in kleine Würfelchen geschnitten
  • 2 bis 3 Stangen Staudensellerie, in 7-mm-Stückchen geschnitten
  • 1 Dessertlöffel Dijon-Senf
  • 1,5 Löffel Weisswein-Essig
  • 4 Löffel Raps- oder Sonnenblumenöl
  • Salz, schwarzer Pfeffer aus der Mühle

So wird's gemacht

1

Die Bohnen gute zwei Stunden in ungesalzenem Wasser weichkochen (oder halt eine Dose öffnen, Bohnen abgiessen und kalt abspülen), abgiessen und ganz kurz kalt abspülen. In einer Schüssel den Senf mit Salz, Pfeffer, Essig und Öl verrühren.

2

Den gewürfelten Schinken in einer beschichteten Bratpfanne kurz anbraten, dann den Stangensellerie und die Schalotten zugeben und kurz sautieren, salzen und pfeffern. Schinken-Zwiebel-Sellerie-Gemisch zusammen mit den noch lauwarmen Bohnen in die Salatsauce geben. Petersilie und Bohnenkraut dazu geben und alles gut durchmischen.

3

Ca. eine Viertelstunde ziehen lassen und vorzugsweise nach einer anstrengenden Fahrradtour geniessen.

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  • Küchentheater
    18. März 2014 at 05:49

    eine herrliche Geschichte. Ich glaube, ich wäre auch gestorben. Es war aber bestimmt ein toller Urlaub.
    Der Bohnensalat sieht lecker aus. Ich kann ihn förmlich riechen.

  • duni
    18. März 2014 at 06:01

    diese geschichte zeigt mal wieder die lebensverlängernde wirkung von champagner!

  • Wolke.-.Sieben
    18. März 2014 at 06:50

    Ja, das nennt man wohl Abenteuerurlaub – schön!!!
    Hab schon gedacht – sie kocht nicht mehr??? Der Bohnensalat sieht
    großartig aus und er schmeckt bestimmt unheimlich gut, aber mit den Bohnen hab ich nach dem Essen immer Probleme . . . ;O)
    Gruß Doris

  • Basler Dybli
    18. März 2014 at 07:40

    E unterhaltsame Schwank zmitts us' em Läbe griffe, e gluschtige Helge und e feins Rezäptli. Mi Daag isch grettet !
    I frai mi, dass' i wieder vo dir läse dèrf 🙂

  • Susanne
    18. März 2014 at 07:40

    Was für ein Glück, dass ich grade Bohnen gekauft habe 🙂 . So gut wie Dir damals wird mir der Salat nicht schmecken….das ist ja nicht möglich 😉 , aber ein Genuss wird er trotzdem sein.

  • Eva
    18. März 2014 at 08:00

    Toll geschrieben! Und erinnert mich auch an die eine oder andere Pein unserer Fahrradtouren (aber keine davon wollte ich im Nachhinein missen).

    Dein Bohnensalat wird probiert!

  • Die Küchenschabe
    18. März 2014 at 08:09

    schöne Geschichte, Wildhendl – ich möchte auf der Stelle wieder nach Frankreich reisen (allerdings mit dem Auto und nicht mit dem Rad). Wie gehts dir denn mit dem neuen Garten, jetzt im Frühling?

  • Anonym
    18. März 2014 at 08:59

    Ich kann so 100% nachfühlen, wie es deiner Schwester ging, war selber schon soo oft an diesem Punkt, aber eben, irgendwie geht es immer weiter und ihr seid ja wirklich fürstlich belohnt worden. Und der Großbohnensalat – gakauft, eh klar! 😉

  • Cooketteria
    18. März 2014 at 10:35

    Das unterste Foto erinnert mich irgendwie an Stefanie Heinzmann (oder wie sie sich auch immer schreibt)… 😉

  • MizThreefivesix
    18. März 2014 at 10:43

    Wie süß! und die Fotos!
    Ich bin 1968 mit meiner Schwester von München durch die Schweiz nach Genf geradelt (keine Ahnung wie wir das geschafft haben). Die Räder hatten überhaupt keine Gänge, wir hatten noch zwei Gitarren dabei, und lebten von Instant-Puddings, am Straßenrand angerührt. Im Vergleich war eure Tour eine Gourmetreise!

  • Ursl
    18. März 2014 at 18:49

    So schön in Erinnerungen schwelgen. Herrlich, wie schnell ein Gericht zur Zeitmaschine wird!

  • Wilde Henne
    18. März 2014 at 22:53

    @Küchentheater
    Der Urlaub war toll, glaub mir. Und sterben wollte das Schwesterlein eigentlich auch nur einmal, an eben besagtem Tag. Ansonsten ist sie brav und ohne zu murren in die Pedale getreten.
    @Duni
    Wo Du recht hast, hast Du recht.
    @Doris
    Ich koche schon, aber das Aufschreiben fällt mir zuweilen schwer. Einerseits, weil ich seit Monaten Rückenschmerzen habe und froh bin, wenn ich nicht zuviel sitzen muss, andererseits bin ich ein bissi maulfaul derzeit.
    @Basler Dybli
    Ich freu mich, dass Du Dich freust 🙂
    @Susanne
    Bohnen gehen immer, ob mit oder ohne Velotour.
    @Eva
    Velotouren können soooooo schlimm sein. Aber ich will mich nicht beklagen, wir hatten vom Wetter her einfach nur glück und auch sonst hat eigentlich alles gepasst.
    @Küchenschabe
    Wir haben ein paar Jahre später die gleiche Strecke nochmals mit dem Auto gemacht. Das war auch cool.
    @Kochpoetin
    Bei solchen Ferien muss man irgendwann mal an seine Grenzen stossen, das gehört einfach dazu, gell.
    @Cookie
    Du, damals waren die Brillen von Alain Mikli absolut Mode. Jeder hatte eine solche. Die gute Stefanie Heinzmann hat damals noch gar nicht gelebt, glaube ich jedenfalls. Oder zumindest war sie damals noch ein kleiner Hosenscheisser 😉
    @Ilse Miz Threefivesix
    Das nenn ich ja coole Ferien… mit Pudding vom Strassenrand. Echt Klasse!
    @Ursl
    All meine Ferien- und sonstigen Erlebnisse haben immer irgendwie was mit Essen zu tun. Nur dann bleiben Sie in meinem Kopf.

  • Anonym
    19. März 2014 at 06:27

    nervige angeberin

    • Wilde Henne
      19. März 2014 at 07:45

      Feigling!

  • Küchentheater
    19. März 2014 at 07:58

    Anonym, es zwingt dich doch keiner hier zu lesen.

  • Susi L.
    19. März 2014 at 09:44

    Das Hendl meldet sich wieder! Das ist eine Freude. Und noch dazu mit so einer tollen Geschichte!

    Ich hab übrigens auch einen klein schreibenden Kommentator mit Tourette … 😀

  • Unknown
    19. März 2014 at 13:03

    Herrlich! Unsere war viel bescheidener und wir jünger. 8/9. klasse von uns nach La Neuville 😉 nachdem mit den Kindern im letzten Sommer bei euch waren, Solls 3 Seen Land dieses Jahr werden. Mit Velo, ohne Bohnensalat 😉 Grüessli Irene

  • Ti saluto Ticino
    19. März 2014 at 21:26

    Ach, du liebes Federvieh, du bist wieder zurück im Bloggerland, wie schööön!
    Und dann auch gleich noch mit einer solch schönen Geschichte.

  • Anonym
    20. März 2014 at 13:53

    So gut schmeckts halt nur dann, wenn man vorher durch die Sche…. musste 😉
    Schön, hast Du Dich mal wieder aufgerafft … maulfaul kann ich mir Dich eigentlich gar nicht vorstellen, aber monatelange Rückenschmerzen sind schon nicht, was man scih wünscht.
    Liebe Grüsse aus Zürich,
    Andy

  • Monika
    20. März 2014 at 18:49

    was für eine grossartige Geschichte! – Schmeckt der Bohnensalat denn auch ohne 35 ungeplante Velo-Kilometer so gut wie beschrieben?

    Schön dass Du wieder da bist, ich habe Dein Blog vermisst 😉

  • tinuwin
    22. März 2014 at 07:54

    Juhu! Wieder ein Artikel von dir. Und erst noch einer, der zu meinem Vorsatz, mehr Hülsenfrüchte zu essen, passt.

  • Schnick Schnack Schnuck
    26. März 2014 at 11:05

    Die Fotos sind jawohl der Hammer. Tolle Geschichte!

  • Wilde Henne
    26. März 2014 at 20:29

    @Turbohausfrau
    Ich täte ja gerne wieder mehr schreiben, aber die Sitzerei tut mir nicht gut. Blöder Rücken…
    @Irene
    3-Seen-Land ist immer gut. Bisschen Velofahren, bisschen baden, bissen am Ufer sitzen und ein Glas Wein trinken…
    @Tessinerli
    Ich hätte ja noch so viele Geschichten auf Lager, aber die Sitzerei macht mir extrem Mühe.
    @Lieberlecker
    Dauerrückenschmerzen machen mich depro, da vergeht mir das Lafere…
    @Monika
    Also man kann den Bohnensalat auch ohne Velotour essen, aber so richtig schmecken tut er, wenn man sich körperlich so richtig ausgekotzt hat. Als Alternative zum Velofahren empfehle ich 4 Stunden Rasen mähen 😉
    @Tinu
    Hülsenfrüchte gibt es bei uns mindestens einmal pro Woche. Linsen, Kichererbsen, Bohnen jeglicher Farbe und Grösse…
    @Schnick Schnack Schnuck
    Ich habe von diesen Ferien meiner Schwestern ein Fotoalbum gemacht, aber für mich irgendwie keine Fotos behalten. Jedenfalls finde ich nix mehr. Von diesen Ferien gibt es noch mehr Geschichten, muss mal das Album bei meiner Schwester holen…

  • Houdini
    14. April 2014 at 00:59

    Schmeckte der Salat auch bei späterem Nachkochen so gut wie ausgehungert nach der Anstrengung?
    Und richtig, bei Bohnen aus der Dose wäre der Salat nicht lauwarm, halb so gut, aber halt easier.

  • Wilde Henne
    22. April 2014 at 07:33

    @Houdini
    Ich bin mir nicht mehr ganz sicher, aber ich glaube, ich hab, bevor ich den Salat gegessen habe, Rasen gemäht 😉 Also geschmeckt hat er auf jeden Fall.